Institut für Erbrecht - Blog

Ausgleich von Pflichtteilsansprüchen bei ungewissen Verbindlichkeiten des Nachlasses
(OLG Koblenz NJW-RR 2020, 1274)
Blog vom 17.02.2021

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Tenor der Entscheidung:

1. Kann der Erbe den; dem Grunde nach anerkannten; Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch eines Berechtigten der Höhe nach noch nicht abschließend beziffern, weil gegen den Nachlass eine; vom Erben bestrittene; Forderung eines Dritten geltend gemacht wird, muss er trotzdem zunächst den unter Außerachtlassung der ungewissen Verbindlichkeit berechneten Pflichtteils und Pflichtteilsergänzungsanpruch an den Berechtigten ausgleichen.

2. Das Risiko, dass sich ein späterer Rückforderungsanspruch in Höhe eines überzahlten Betrags gegen den Pflichtteilsberechtigten nicht mehr realisieren lässt, trägt der Erbe.


Sachverhalt

Eine Pflichtteilsberechtigte hat gegenüber der Pflichtteilsschuldnerin (Erbin) Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche auf den Tod ihrer verstorbenen Mutter geltend gemacht. Die Erbin hat das grundsätzliche Bestehen derartiger Ansprüche nicht verneint, hat aber dennoch Klageabweisung beantragt, da gegenüber dem Nachlass noch offen war, ob eine zweifelhafte Forderung durch einen weiteren Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht wurde, so dass sie nicht klar den Nachlass beziffern konnte und damit die Höhe der der Pflichtteilsberechtigten zustehenden Ansprüche zutreffend zu beziffern. Nachdem der weitere Pflichtteilsberechtigte, seine behauptete Forderung nicht mehr weiterverfolgte, hat die Pflichtteilsschuldnerin den aus ihrer Sicht berechtigten Zahlungsanspruch der Pflichtteilsberechtigten beziffert und ausgeglichen. Über den danach noch offenen Restbetrag haben sich die Parteien im Vergleichswege auf hälftiger Basis verständigt. In dem Vergleich hatten sie auch geregelt, dass das Gericht über die Kosten entscheiden müsse. Das Landgericht hat dann die
die Kosten des Rechtsstreits zu 93?% der Pflichtteilsschuldnerin. und zu 7?% der Pflichtteilsberechtigten auferlegt. Die sofortige Beschwerde der Pflichtteilsberechtigten wurde zurückgewiesen.

Begründung der Entscheidung

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits weit überwiegend der Pflichtteilsschuldnerin auferlegt.

Denn gemäß § 2313 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S.1 BGB sind ungewisse Verbindlichkeiten, wie sie hier in Gestalt der durch den weiteren Pflichtteilsberechtigten vorrangig geltend gemachten Forderung in Höhe von rund 57.000 Euro vorlagen, bei der Feststellung des Werts des Nachlasses außer Ansatz zu lassen . Die Pflichtteilsberechtigte hatte zum Zeitpunkt der Klageerhebung damit ihre Ansprüche weitgehend zutreffend beziffert und die Pflichtteilsschuldnerin. durfte zu diesem Zeitpunkt den geltend gemachten Ansprüchen nicht die ungewisse Verbindlichkeit gegenüber dem weiteren Pflichtteilsberechtigten entgegenhalten .

Das BGB sieht insoweit eine eindeutige Risikoverteilung dahingehend vor, dass die Pflichtteilsschuldnerin zunächst den unter Außerachtlassung der ungewissen Verbindlichkeit berechneten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanpruch der Pflichtteilsberechtigten hätte ausgleichen müssen, um dann eventuell später; hätte sich die Forderung des Weiteren Pflichtteilsberechtigten letztlich als bestehend herausgestellt; einen Rückforderungsanspruch in Höhe des überzahlten Betrags gegen die Kl. geltend machen zu können nach § 2313 As. 1 S. 3 BGB.

Das Risiko, dass sich dieser Rückzahlungsanspruch nicht mehr realisieren lässt, hätte dabei die Pflichtteilsschuldnerin zu tragen .  Aus diesem Grunde musste die Pflichtteilsschuldnerin auch die wesentlichen Kosten des Verfahrens tragen.


Praxishinweis

Palandt/Weidlich, § 2313 BGB Rn.2.
BGHZ 3, 394, NJW 1952,138.
BGHZ 187, 304, NJW 2011,606.

Die Entscheidung zeigt auf, dass es für den Erben oder auch den Testamentsvollstrecker besonders wichtig ist, sich rasch zu Beginn des Nachlassanfalls Klarheit über den Stand der Verbindlichkeiten zu verschaffen und umgehend etwaige Einwendungen gegen zweifelhafte Verbindlichkeiten geltend zu machen, um nicht das Risiko tragen zu müssen, später etwaige Rückforderungen gegen den Pflichtteilsschuldner geltend machen zu müssen, wegen einer Überzahlung.

Zusammenfassung:

  • Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch nach § 2317 Abs. 1 BGB, der auch übertragbar ist nach §§ 2317 Abs. 2,398 ff. BGB.
  • Sofortige Fälligkeit mit dem Erbfall nach § 271 BGB
  • Verzinsliche schuldrechtliche Forderung, aber erst bei Verzog oder Rechtshängigkeit.
  • Mehrere Erben haften nach § 2058 BGB als Gesamtschuldner
  • Erbauseinandersetzung hindert nicht die Fälligkeit des Anspruches
  • Erbe kann nach § 2331 a BGB verlangen


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